Kein Schadensersatz für Hotelbesucher nach Glatteisunfall

Kein Schadensersatz für Hotelbesucher nach Glatteisunfall

Kein Schadensersatz für Hotelbesucher nach Glatteisunfall
KG Berlin 7.11.2017, 4 U 113/15
Ein Geschäftsmann, der im Januar 2014 auf dem Gehweg vor einem 5-Sterne-Hotel bei Glatteis gestürzt war, kann von der Betreiberin des Hotels keinen Schadensersatz verlangen. Es konnte u.a. nicht festgestellt werden, dass der Kläger in dem Bereich gestürzt sei, für den eine Räum- und Streupflicht bestanden hat.
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Geschäftsmann. Die Beklagte ist Betreiberin eines 5-Sterne-Hotels. Der Kläger kam am 20.1.2014 auf dem Gehweg vor dem Hotel bei Glatteis zu Fall und verletzte sich bei dem Sturz erheblich. Im Wege der Teilklage forderte der Kläger von der Beklagten wegen Verletzung der Räum- und Streupflichten zunächst 10.000 € Schmerzensgeld, hielt aber ein Schmerzensgeld von insgesamt rd. 75.000 € für angemessen.
Zudem behauptete der Kläger außergerichtlich, aufgrund des Unfalls mit stationärer Behandlung sei er nicht in der Lage gewesen, ein Darlehen über 200.000 € aufzunehmen, das binnen drei Monaten zu einem Ertrag i.H.v. 2 Mio. € und im weiteren Verlauf zu einer Ausschüttung i.H.v. 35 Mio. € für ihn oder seine Gesellschaft geführt hätte.
Das LG wies die Klage ab. Es könne offen bleiben, ob die Hotelbetreiberin ihre Räum- und Streupflichten auf dem vor dem Hotel befindlichen Gehweg verletzt habe. Jedenfalls habe der Geschäftsmann nicht bewiesen, dass er in einem Bereich des Gehwegs gestürzt sei, für den die Hotelbetreiberin streupflichtig gewesen sei. Dementsprechend gab das LG der Widerklage der Beklagten statt und stellte fest, dass dem Kläger weder ein Schadensersatzanspruch aufgrund entgangenen Gewinns von 1,8 Mio. € noch darüber hinausgehende Ansprüche zustünden.
Die Berufung des Klägers hatte vor dem KG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das LG hat zu Recht entschieden, dass den Anlieger einer Straße nur die Pflicht trifft, den Gehweg auf einem mittigen Streifen von ca. 1,5 m Breite zu räumen bzw. mit abstumpfenden Mitteln zu streuen, sofern sich nicht aus den Umständen des Einzelfalls etwas Anderes ergibt. Dies ist vorliegend zu verneinen. Am Rand des Bürgersteigs im Bereich der Unfallstelle befanden sich keine Notrufsäulen, Parkscheinautomaten oder sonstige Einrichtungen, die es erfordert hätten, einen Streifen an der Bordsteinkannte zu streuen. Auch ist nicht ersichtlich, dass ein hohes Fußgängeraufkommen in diesem Bereich geherrscht hätte, selbst wenn es sich um den Bürgersteig vor einem großen 5-Sterne-Hotel handelt. Denn die Haupteingänge des Hotels befinden sich an einer anderen Straße; zudem verfügt das Hotel unstreitig über eine große Tiefgarage.
Die erstinstanzliche Beweisaufnahme war im Übrigen nicht zu beanstanden. Daher kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger in dem Bereich gestürzt sei, für den eine Räum- und Streupflicht bestanden hat. Auch im Hinblick auf zahlreiche Entscheidungen anderer Senate des KG bzw. von weiteren OLG ist eine Entscheidung zu Gunsten des Gestürzten nicht geboten, da die Umstände des Einzelfalls hier anders liegen.
Eine mündliche Verhandlung war vorliegend nicht notwendig. Dies wäre der Fall, wenn die Rechtsverfolgung für den Kläger existenzielle Bedeutung hätte. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar beruft sich der Geschäftsmann auf wirtschaftlich existenzielle Folgen durch den Rechtsstreit, für den der Streitwert auf 30 Mio. € festgesetzt worden ist. Dadurch ist er nunmehr gezwungen, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, nachdem die Landesjustizkasse vergeblich Gerichtskosten i.H.v. knapp 325.000 € zu vollstrecken versucht hat.
Dieses Argument war jedoch zurückzuweisen. Es geht hier nicht um die (körperlichen) Folgen aus dem Glatteisunfall, sondern allein um die finanziellen Folgen, die sich aus den Kosten des von ihm veranlassten Rechtsstreits ergäben. Dem Kläger, der als Rechtsanwalt zugelassen war, mussten die finanziellen Risiken bewusst sein, die daraus resultierten, dass er vorprozessual so hohe Schadensersatzansprüche aufgrund entgangenen Gewinns in den Raum gestellt hat. Zudem würde eine mündliche Verhandlung noch weitere Kosten aufgrund der dann höheren Vergütung der Rechtsanwälte beider Parteien verursachen.
Quelle: KG Berlin PM Nr. 72 vom 20.11.2017