Gefährlicher Busausstieg – alle müssen aufpassen

Gefährlicher Busausstieg – alle müssen aufpassen

Gefährlicher Busausstieg – alle müssen aufpassen
OLG Hamm 28.2.2018, 11 U 108/17

Wird der Fahrgast eines Busses beim Ausstieg durch ein den Bus auf der Ausstiegsseite passierendes Kraftfahrzeug verletzt, können alle Beteiligten – Fahrgast, Busfahrer und Fahrer des vorbeifahrenden Kfz – für den Unfall verantwortlich sein. Aufgrund des Beförderungsvertrages obliegt es aber zuvörderst dem Busunternehmen und dessen Fahrer, die Fahrgäste beim Aussteigen aus dem Bus vor Gefahren zu schützen.
Der Sachverhalt:
Die seinerzeit 13 Jahre alte Geschädigte war Fahrgast in einem beim beklagten Versicherer haftpflichtversicherten Linienbus. Mit diesem fuhr sie im März 2011 auf der Bundesstraße 55 von Allagen nach Warstein. Kurz vor dem Ortseingang Warstein, etwa 200 m vor der nächsten Haltestelle musste der Bus wegen eines Verkehrsstaus – verursacht durch einen Karnevalsumzug – halten.
Nachdem der Bus mehrere Minuten gestanden hatte, öffnete der Busfahrer auf Drängen von Fahrgästen, die ihren Anschlussbus noch rechtzeitig zu Fuß erreichen wollten, die Bustüren. Als die Geschädigte den Bus aus der hinteren Bustür verließ und auf die Straße trat, wurde sie von dem beim klagenden Versicherer haftpflichtversicherten Pkw, der auf dem befestigten Seiten-/Mehrzweckstreifen fuhr, erfasst und verletzt. Sie erlitt eine Sprunggelenksfraktur, die operiert werden musste. Die Fahrerin des Pkw hatte zunächst unmittelbar hinter dem Bus gestanden, sich dann aber entschlossen, rechts neben dem Bus auf den Seitenstreifen zu fahren, um dort anzuhalten und zu telefonieren. Zum Unfallzeitpunkt hatte der Busfahrer das Warnblinklicht an dem Bus nicht eingeschaltet.
Die Geschädigte hat zunächst einen Schadensersatzprozess – 4 O 262/12 LG Arnsberg/ 11 U 30/15 OLG Hamm – gegen die PKW-Fahrerin und Fahrzeughalterin sowie den klagenden Haftpflichtversicherer geführt. In diesem wurden Fahrerin und Versicherer unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens der Geschädigten rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt. Der klagende Versicherer zahlte daraufhin bislang ca. 6.740 € an die Geschädigte. Die Hälfte dieses Betrages, ca. 3.370 €, verlangte er vom beklagten Haftpflichtversicherer des Fahrers und des Busunternehmens mit der Begründung erstattet, ein Verschulden des Busfahrers und die Betriebsgefahr des Linienbusses habe in diesem Umfang zum Unfallgeschehen beigetragen.
Das LG hat der auf Schadensteilung gerichteten Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs antragsgemäß statt. Nach dem erteilten Hinweis hat der beklagte Versicherer am 19.3.2018 die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgenommen.
Die Gründe:
Als Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Busunternehmens haftet die Beklagte der Geschädigten für als Gesamtschuldnerin neben dem Kläger aus § 118 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. §§ 280 BGB, 249, 253 BGB, 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 11 StVG.
Der Beförderungsvertrag zwischen der Geschädigten und den Busunternehmen begründete eine vertragliche Schutzpflicht des Unternehmens zugunsten der Busfahrgäste, die im vorliegenden Fall dadurch verletzt worden war, dass der Busfahrer die Bustüren geöffnet hatte, ohne zuvor an dem Bus die Warnblinkanlage angestellt zu haben. Hierzu wäre er verpflichtet gewesen, weil er in der Verkehrssituation damit rechnen musste, dass während des Aussteigens der Fahrgäste andere Fahrzeuge den rechts neben dem Bus gelegenen Seitenstreifen für sich nutzen könnten. Der Seitenstreifen durfte nämlich von anderen Fahrzeugen zum Halten und Parken benutzt werden, von Radfahrern, landwirtschaftlichen und ähnlich langsamen Fahrzeugen sogar auch als Fahrbahn. Ausgehend hiervon hätte der Busfahrer durch das Einschalten der Warnblinkanlage des Busses vor dem Öffnen der Bustüren die anderen Verkehrsteilnehmer vor der mit dem Aussteigevorgang verbunden Gefahrensituation warnen müssen.
Ein Mitverschulden der Geschädigten, die sich beim Ausstieg aus dem Bus nicht so verhalten hatte, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war, verminderte zwar die Haftung auf Seiten des Busfahrers und des Busunternehmens, konnte diese aber nicht ausschließen, weil auf Seiten des Verkehrsunternehmens noch die Betriebsgefahr des Busses zu berücksichtigen war. Im Verhältnis zu der Geschädigten war eine Haftungsverteilung von 50 % zu 50 % als angemessen anzusehen. Eine gleichlautende Quote hat sich auch im Vorprozess im Verhältnis der Geschädigten zum vorbeifahrenden Pkw ergeben.
Der damit auf Seiten des Busunternehmens sowie des Busfahrers und auf Seiten der PKW-Fahrerin und -Halterin jeweils verbleibende hälftige Haftungsanteil war im Verhältnis zwischen diesen Unfallbeteiligten und damit im Verhältnis des klagenden und beklagten Versicherers erneut mit einer jedenfalls 50 %-Mithaftung des Busunternehmens und seines Fahrers zu teilen. Das entsprach den jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen. Dabei war zu berücksichtigen, dass es – im Verhältnis der am Unfallgeschehen beteiligten Schädiger – aufgrund des abgeschlossenen Beförderungsvertrages zuvörderst dem Busunternehmen und dessen Fahrer oblegen hatte, die Geschädigte beim Aussteigen aus dem Bus vor Gefahren zu schützen.

Quelle: OLG Hamm Pressemitteilung v. 18.5.2018