OLG Hamm zur Verletzung der Anzeigeobliegenheit bei einem Kaskoschaden

OLG Hamm zur Verletzung der Anzeigeobliegenheit bei einem Kaskoschaden

Kein Anspruch des Kaskoversicherten bei Meldung eines bereits sechs Monate zuvor reparierten Schadens
OLG Hamm 21.6.2017, 20 U 42/17
Teilt ein Versicherungsnehmer in Kenntnis der ihm obliegenden Anzeigepflicht seinem Kaskoversicherer einen Unfallschaden erst knapp sechs Monate nach dem Verkehrsunfall mit, kann der Kaskoversicherer berechtigt sein, eine Entschädigung wegen vorsätzlicher Verletzung der Anzeigeobliegenheit zu verweigern.
Der Sachverhalt:
Der Kläger war mit seinem Pkw Porsche Boxster beim beklagten Versicherer kaskoversichert. Mitte Juni 2016 meldete der Kläger der Beklagten einen Schadensfall vom 23.12.2015.
Nach der Darstellung des Klägers war die linke Seite seines Fahrzeugs, das er am Rand einer Straße abgestellt hatte, streifenartig beschädigt worden. Diesen Schaden habe er im Januar 2016 begutachten und dann noch im Januar für rd. 5.600 € reparieren lassen. Am Unfalltage habe er an seinem Fahrzeug einen Zettel mit einem Namen und einer Mobilfunknummer vorgefunden, mit diesen Angaben in der Folgezeit aber keinen Schädiger ermitteln können. Aus diesem Grunde sei die Beklagte dann im Juni 2016 unterrichtet worden.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie sei leistungsfrei, weil der Kläger seine Anzeigeobliegenheit verletzt habe. Zudem hält sie das Schadensbild für nicht plausibel und das vom Kläger eingeholte Gutachten für unbrauchbar. Mit seiner Klage verlangt der Kläger – unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts – Zahlung einer Entschädigung von rd. 5.300 €.
Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung des angezeigten Unfallschadens gegen die Beklagte, weil die Beklagte gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i.V.m. Ziffer E.6.1 S. 1, E.1.1 S. 1 der hier vereinbarten AKB wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung leistungsfrei geworden ist.
Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden, weil der Kläger eine vertragliche Obliegenheit verletzt hat. Er habe den Schaden entgegen den Versicherungsbedingungen nicht innerhalb einer Woche nach dem Schadensereignis gegenüber der Beklagten angezeigt, sondern erst rd. sechs Monate später. Unerheblich ist insofern, dass es dem Kläger nach seinem Vortrag möglich erschien, den Schädiger in Anspruch zu nehmen. Die Verpflichtung zur Schadensmeldung besteht unabhängig davon, ob später tatsächlich eine Leistung des Versicherers in Anspruch genommen wird. Die Anzeigepflicht soll sicherstellen, dass dem Versicherer bei einer Inanspruchnahme eigene Ermittlungen möglich sind.
Die Anzeigeobliegenheit hat der Kläger vorsätzlich verletzt. Ihm war das Erfordernis einer Meldung gegenüber der Beklagten bekannt. Das stellt der Kläger auch nicht in Abrede. Zudem ist auch deswegen von einer vorsätzlich verzögerten Anzeige auszugehen, weil der Kläger nach eigenen Angaben anfangs auf eine Meldung gegenüber der Beklagten verzichtet hat, um zu versuchen, den Schädiger in Anspruch zu nehmen. Abgesehen davon ist es allgemein bekannt, dass ein Schadensfall dem Versicherer zeitnah nach dem Schadensereignis gemeldet werden muss. Selbst wenn dem Kläger die konkrete zeitliche Begrenzung nicht bewusst gewesen ist, durfte er jedenfalls nicht ernsthaft darauf vertrauen, dass eine Meldung rd. ein halbes Jahr nach dem Schadensereignis und nach vollständiger Beseitigung sämtlicher Beschädigungen noch genügen kann.
Einen zur Erhaltung seines Anspruches zu erbringenden Nachweis, dass die verzögerte Anzeige nicht dazu beigetragen hat, dass die Beklagte keine Feststellungen zum Versicherungsfall und zu ihrer Leistungspflicht mehr treffen konnte, kann der Kläger nicht führen. Zwar hat der Kläger das Fahrzeug durch einen von ihm gewählten Sachverständigen begutachten und den Sachverständigen auch die im Januar 2016 durchgeführte Reparatur bescheinigen lassen. Allerdings weist das vorgelegte Gutachten Fehler auf, zudem lässt die Bestätigung des Sachverständigen nicht erkennen, dass fachgerecht repariert worden ist. Mit seinem Vorgehen hat der Kläger der Beklagten daher die Möglichkeit genommen, den Schadensfall selbst zu untersuchen und durch einen von ihr bestimmten Sachverständigen begutachten zu lassen.
Linkhinweis:
• Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank NRW veröffentlicht.
• Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Quelle: OLG Hamm PM vom 27.9.2017