Keine Geschäftsführung ohne Auftrag beim Transport von Kindern zu Sportveranstaltungen
BGH 23.7.2015, III ZR 346/14
In Fällen, in denen minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, handelt es sich grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – nicht um eine Geschäftsführung ohne Auftrag sondern um eine reine Gefälligkeit. Diese spielt sich im außerrechtlichen Bereich ab, sodass Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein ausscheiden.
Der Sachverhalt:
Die Enkelin der Klägerin spielt in der Mädchen-Fußballmannschaft des beklagten Vereins. Die Mannschaft nahm im Januar 2011 an einem Hallenturnier teil. Die Klägerin, die ihre Enkelin zu dieser Veranstaltung bringen wollte, geriet allerdings mit ihrem PKW auf der Fahrt zum Turnierort in einen Unfall und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die Versicherung der Beklagte lehnte die bei ihr angemeldeten Ansprüche der Klägerin ab. Sie verwies auf die Versicherungsbedingungen. Danach würden nur Vereinsmitglieder und zur Durchführung versicherter Veranstaltungen „offiziell eingesetzte“ Helfer Versicherungsschutz genießen; zu diesem Personenkreis gehöre die Klägerin jedoch nicht.
Infolgedessen nahm die Klägerin den Beklagten auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach der Klägerin Schmerzensgeld i.H.v. 2.811 € nebst Zinsen zu. Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt wurde, auf und bestätigte das klagabweisende landgerichtliche Urteil.
Die Gründe:
Im Bereich der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse ist zwischen einem Auftrags- und einem Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden. Ob jemand für einen anderen ein Geschäft i.S.d. § 662 BGB besorgt oder jemandem nur eine (außerrechtliche) Gefälligkeit erweist, hängt dabei vom Rechtsbindungswillen ab. Maßgeblich ist insoweit, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Leistenden darstellt.
Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Leistungszusage verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswillen zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel beim sog. Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im gesellschaftlichen Bereich oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein.
Genauso muss, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff BGB und der (außerrechtlichen) Gefälligkeit ohne Auftrag unterschieden werden. Maßgeblich ist insoweit ebenfalls, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Leistenden darstellt. Die Abgrenzung erfolgt unter Berücksichtigung u.a. der Art der Tätigkeit, ihrem Grund und Zweck, ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den Geschäftsherrn, der Umstände, unter denen sie erbracht wird, und der dabei entstehenden Interessenlage der Parteien. Gefälligkeiten des täglichen Lebens oder vergleichbare Vorgänge können insoweit regelmäßig den Tatbestand der §§ 677 ff BGB nicht erfüllen.
Die Klägerin wollte ihre Enkelin zu der Sporthalle fahren, um dieser die Teilnahme an der Sportveranstaltung zu ermöglichen. Dies geschah aus Gefälligkeit gegenüber ihrer Enkelin bzw. deren sorgeberechtigten Eltern. An dem Charakter der Fahrt als Gefälligkeit änderte sich auch dadurch nichts, dass der Transport nicht ausschließlich im alleinigen Interesse der Enkelin und ihrer Eltern, sondern auch im Interesse der Mannschaft und damit des beklagten Sportvereins lag.
Der „Bringdienst“ der minderjährigen Spielerinnen zu auswärtigen Spielen war nach den tatrichterlichen Feststellungen Sache der Eltern bzw. anderer Angehöriger oder Freunde. Die Klägerin hatte angegeben, die Kinder seien immer privat gefahren worden. Sie selbst habe viele Fahrten durchgeführt und dafür nie etwas bekommen. Wenn sie nicht gefahren wäre, hätte man den Transport innerhalb der Familie oder der übrigen Vereinsmitglieder so umorganisiert, dass eine andere Person ihre Enkelin gefahren hätte.
Dieser übliche Ablauf sprach entscheidend dagegen, den auf freiwilliger Grundlage erfolgten Transport der Kinder zu Auswärtsspielen durch Personen aus ihrem persönlichen Umfeld als auf der Grundlage eines mit wechselseitigen Rechten und Pflichten ausgestalteten Schuldverhältnisses erbracht anzusehen. Vielmehr handelt es sich, wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt. Solange keine gegenteiligen Absprachen getroffen werden, scheiden damit auch Aufwendungsersatzansprüche aus.
Quelle: BGH PM Nr. 124 vom 23.7.2015
In Fällen, in denen minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, handelt es sich grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – nicht um eine Geschäftsführung ohne Auftrag sondern um eine reine Gefälligkeit. Diese spielt sich im außerrechtlichen Bereich ab, sodass Aufwendungsersatzansprüche gegen den Verein ausscheiden.
Der Sachverhalt:
Die Enkelin der Klägerin spielt in der Mädchen-Fußballmannschaft des beklagten Vereins. Die Mannschaft nahm im Januar 2011 an einem Hallenturnier teil. Die Klägerin, die ihre Enkelin zu dieser Veranstaltung bringen wollte, geriet allerdings mit ihrem PKW auf der Fahrt zum Turnierort in einen Unfall und zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die Versicherung der Beklagte lehnte die bei ihr angemeldeten Ansprüche der Klägerin ab. Sie verwies auf die Versicherungsbedingungen. Danach würden nur Vereinsmitglieder und zur Durchführung versicherter Veranstaltungen „offiziell eingesetzte“ Helfer Versicherungsschutz genießen; zu diesem Personenkreis gehöre die Klägerin jedoch nicht.
Infolgedessen nahm die Klägerin den Beklagten auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach der Klägerin Schmerzensgeld i.H.v. 2.811 € nebst Zinsen zu. Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt wurde, auf und bestätigte das klagabweisende landgerichtliche Urteil.
Die Gründe:
Im Bereich der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse ist zwischen einem Auftrags- und einem Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden. Ob jemand für einen anderen ein Geschäft i.S.d. § 662 BGB besorgt oder jemandem nur eine (außerrechtliche) Gefälligkeit erweist, hängt dabei vom Rechtsbindungswillen ab. Maßgeblich ist insoweit, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Leistenden darstellt.
Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Leistungszusage verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswillen zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel beim sog. Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im gesellschaftlichen Bereich oder bei Vorgängen, die diesen ähnlich sind, zu verneinen sein.
Genauso muss, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, im Bereich der gesetzlichen Schuldverhältnisse zwischen der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff BGB und der (außerrechtlichen) Gefälligkeit ohne Auftrag unterschieden werden. Maßgeblich ist insoweit ebenfalls, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Leistenden darstellt. Die Abgrenzung erfolgt unter Berücksichtigung u.a. der Art der Tätigkeit, ihrem Grund und Zweck, ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung für den Geschäftsherrn, der Umstände, unter denen sie erbracht wird, und der dabei entstehenden Interessenlage der Parteien. Gefälligkeiten des täglichen Lebens oder vergleichbare Vorgänge können insoweit regelmäßig den Tatbestand der §§ 677 ff BGB nicht erfüllen.
Die Klägerin wollte ihre Enkelin zu der Sporthalle fahren, um dieser die Teilnahme an der Sportveranstaltung zu ermöglichen. Dies geschah aus Gefälligkeit gegenüber ihrer Enkelin bzw. deren sorgeberechtigten Eltern. An dem Charakter der Fahrt als Gefälligkeit änderte sich auch dadurch nichts, dass der Transport nicht ausschließlich im alleinigen Interesse der Enkelin und ihrer Eltern, sondern auch im Interesse der Mannschaft und damit des beklagten Sportvereins lag.
Der „Bringdienst“ der minderjährigen Spielerinnen zu auswärtigen Spielen war nach den tatrichterlichen Feststellungen Sache der Eltern bzw. anderer Angehöriger oder Freunde. Die Klägerin hatte angegeben, die Kinder seien immer privat gefahren worden. Sie selbst habe viele Fahrten durchgeführt und dafür nie etwas bekommen. Wenn sie nicht gefahren wäre, hätte man den Transport innerhalb der Familie oder der übrigen Vereinsmitglieder so umorganisiert, dass eine andere Person ihre Enkelin gefahren hätte.
Dieser übliche Ablauf sprach entscheidend dagegen, den auf freiwilliger Grundlage erfolgten Transport der Kinder zu Auswärtsspielen durch Personen aus ihrem persönlichen Umfeld als auf der Grundlage eines mit wechselseitigen Rechten und Pflichten ausgestalteten Schuldverhältnisses erbracht anzusehen. Vielmehr handelt es sich, wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt. Solange keine gegenteiligen Absprachen getroffen werden, scheiden damit auch Aufwendungsersatzansprüche aus.
Quelle: BGH PM Nr. 124 vom 23.7.2015