BGH setzt Verfahren zu Ausgleichsansprüchen bei verspätetem Zubringerflügen aus
BGH 13.3.2012, X ZR 127/11
Die Frage, ob Fluggäste Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung bei verspäteten Zubringerflügen haben, wenn sich der Abflug um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der von der Verordnung definierten Grenze von mindestens zwei Stunden liegt, die Ankunft am letzten Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erfolgt, ist Gegenstand mehrerer beim Gerichtshof der EU anhängiger Verfahren. Infolgedessen hat der BGH nun ein Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin und ein Mitreisender hatten bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen für den 20.1.2010 einen Flug von Berlin-Tegel über Madrid nach San José (Costa Rica) gebucht. Sie erhielten bereits bei der Abfertigung in Berlin die Bordkarten für den Anschlussflug. Allerdings verzögerte sich der Abflug von Berlin um eineinhalb Stunden. Das Flugzeug landete erst um 11.28 Uhr in Madrid und erreichte die Standposition um 11.39 Uhr. Der Weiterflug nach San José sollte um 12.05 Uhr von einem anderen Flugsteig erfolgen. Als die Reisenden dort am Ausgang eintrafen, war der Einsteigevorgang bereits beendet. Sie wurden daher nicht mit dem ursprünglich gebuchten Flug, sondern erst am folgenden Tag mit dem Flug um 12.05 Uhr nach San José befördert.
Später verlangte die Klägerin von der Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht des Mitreisenden eine Ausgleichszahlung i.H.v. jeweils 600 € nach der EU-Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen). Die Beklagte verweigerte die Zahlung.
AG und LG wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreiche, kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 der Fluggastrechteverordnung zustehe. Demnach seien Zubringerflüge und Anschlussflüge nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich isoliert zu betrachten. Außerdem liege auch keine zur Ausgleichszahlung verpflichtende Beförderungsverweigerung vor, da sich die Reisenden in Madrid erst nach Abschluss des Einsteigevorgangs und damit nicht mehr rechtzeitig am Flugsteig des Weiterflugs eingefunden hätten.
Auf die zugelassene Revision der Klägerin hat der BGH die Verhandlung bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der EU in einem von drei bereits dort anhängigen Vorlageverfahren ausgesetzt.
Die Gründe:
Es kommt durchaus in Betracht, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch unter dem Gesichtspunkt einer ausgleichspflichtigen Verspätung zusteht.
Ob die Voraussetzungen hierfür auch dann gegeben sind, wenn sich der Abflug wie hier um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der von der Verordnung definierten Grenze von mindestens zwei Stunden liegt, die Ankunft am letzten Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erfolgt, ist Gegenstand der beim Gerichtshof der EU anhängigen Rs. C-11/11 sowie der verbundenen Rechtssachen C-436/11 und C-437/11.
Quelle: BGH PM Nr. 34 vom 13.3.2012