Anspruch wegen Nichtbeförderung: Fluggesellschaften müssen Beförderungsverweigerung ausdrücklich mitteilen
BGH 16.4.2013, X ZR 83/12
Eine Weigerung, den Fluggast zu befördern, kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie diesem gegenüber auch von der Fluggesellschaft zum Ausdruck gebracht wird. Der Fluggast, der einen Anspruch wegen Nichtbeförderung geltend machen will, muss grundsätzlich am Flugsteig anwesend gewesen sein.
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der beklagten Fluggesellschaft einen Flug gebucht, der am 18.12.2010 um 11.15 Uhr starten sollte. Der Flug fand zwar planmäßig, aber ohne den Kläger statt. Dieser behauptet später, er sei am Abflugtag bereits um 8.00 Uhr am Flughafen erschienen, habe aber wegen einer besonders langen Warteschlange am Abfertigungsschalter erst um 14.00 Uhr Gelegenheit gehabt, sein Gepäck aufzugeben. Der Kläger verlangte infolgedessen eine Ausgleichszahlung von 400 € gem. § 7 Abs. 1b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung).
AG und LG wiesen die Klage ab. Auch die vom Berufungsgericht zugelassene Revision blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Dem Kläger stand ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 FluggastrechteVO nicht zu.
Der von dem Kläger gebuchte Flug war planmäßig durchgeführt worden. Es lag weder eine Annullierung des Flugs noch eine große Verspätung vor, die eine Ausgleichszahlung hätte rechtfertigen können. Dem Kläger stand vor allem auch kein Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung zu. Denn „Nichtbeförderung“ ist nach Art. 2j FluggastrechteVO die Weigerung, Fluggäste zu befördern, die sich unter den in Art. 3 Abs. 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Der Fluggast, der einen Anspruch wegen Nichtbeförderung geltend machen will, muss demnach grundsätzlich am Flugsteig anwesend gewesen sein. Davon gehen sowohl der EuGH als auch der BGH aus.
Der Kläger war zur Beendigung des Einsteigevorgangs nicht am Flugsteig erschienen und ihm wurde weder dort noch zu einem früheren Zeitpunkt der Einstieg verweigert. Die Fluggastrechteverordnung enthält kein umfassendes Regelwerk. Es sind vielmehr Mindestrechte für Fluggäste in den Fällen der Nichtbeförderung gegen ihren Willen, der Annullierung des Flugs und der Verspätung des Flugs festgelegt. Bei diesen Mindestrechten handelt es sich um gesetzliche Ansprüche, die nicht aus dem Beförderungsvertrag folgen, den der Fluggast etwa mit dem Luftverkehrsunternehmen abgeschlossen hat. Vielmehr richten sich die dem Fluggast eingeräumten Ansprüche gegen das ausführende Flugunternehmen. Vertragliche Beziehungen zwischen diesem und dem Fluggast müssen nicht bestehen.
Nach diesen Maßstäben konnte im vorliegenden Fall eine Verweigerung der Beförderung durch die Beklagte nicht angenommen werden. Eine Weigerung, den Fluggast zu befördern, kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn sie diesem gegenüber auch zum Ausdruck gebracht wird. Der in Art. 2j FluggastrechteVO gewählte Begriff „Weigerung, Fluggäste zu befördern“ (engl. „refusal to carry passengers on a flight“; franz. „refus de transporter des passagers sur un vol“) bedeutet, dass das Begehren des Fluggastes, an dem Flug teilzunehmen, zurückgewiesen wird. Zu einem Verhalten oder einer Äußerung der Beklagten, mit denen eine vorzeitige Zurückweisung zum Ausdruck gebracht worden wäre, hatte der Kläger allerdings nichts vorgetragen. Allenfalls hätte der Kläger eine seine Beförderung ablehnende Äußerung oder ein ablehnendes Verhalten des Luftfahrtunternehmens durch eigenes Tun herbeiführen können.
Quelle: BGH online