Model Fracke: Ermittlung des angemessenen Normaltarifs für Mietwagenkosten nach der Mittelwertlösung
OLG Hamm 18.3.2016, 9 U 142/15
Sind bei der Abwicklung eines Verkehrsunfallschadens Mietwagenkosten nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen, ist als Schätzungsgrundlage die sog. Mittelwertlösung vorzugswürdig. Diese bildet den Mittelwert der Marktpreiserhebungen nach der ʺSchwacke-Listeʺ und dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel (Modell ʺFrackeʺ).
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht gegen die Beklagten 1) und 2) (Fahrzeugführer und Haftpflichtversicherer) Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich im August 2014 in Bielefeld ereignet hat. Der mit seinem Pkw nach links abbiegende Kläger kollidierte im Kreuzungsbereich mit dem entgegenkommenden Pkw des Beklagten zu 1). Letzterer war unter Befahren einer Sperrfläche in den Kreuzungsbereich eingefahren.
Das LG gab der Klage überwiegend statt und sprach dem Kläger nach einer Haftungsquote von 100 Prozent vollen Schadensersatz für den Fahrzeugschaden, Sachverständigenkosten, Unkostenpauschale und Nutzungsausfall zu. Hinsichtlich der geltend gemachten Mietwagenkosten i.H.v. 828 € erkannte das LG lediglich 396 € zu und wies die Klage i.Ü. ab.
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers änderte das OLG das Urteil des LG ab und legte sowohl im Hinblick auf die Leistung von Schadensersatz als auch hinsichtlich der Erstattung der Mietwagenkosten eine Haftungsquote von 70 Prozent zugrunde. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil des LG teilweise abzuändern, soweit die Beklagten nach einer höheren Haftungsquote als 70 Prozent zur Leistung von Schadensersatz verurteilt worden sind. Der Kläger hatte mit seiner Anschlussberufung insoweit Erfolg, als dass die Mietwagenkosten i.H.v. 828 € ihm nach einer Haftungsquote von 70 Prozent zu erstatten sind. Aufgrund des verbotswidrigen Befahrens der Sperrfläche ist dem Beklagten eine 70-prozentige Haftung zuzuschreiben, während der Kläger, der als Linksabbieger den im Gegenverkehr befindlichen Beklagten nicht habe passieren lassen, 30 Prozent seines Schadens selbst zu tragen hat.
Der Kläger hat zu der Schadensposition der Mietwagenkosten, nicht konkret nachgewiesen, dass er beim Anmieten des genutzten Ersatzfahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügt hat. Sein diesbezüglicher Schaden ist deswegen nach dem angemessenen Normaltarif zu schätzen. Dabei kommt es darauf an, zu welchen Konditionen der Kläger einen Mietwagen erlangt hätte, wenn er dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen hätte. Bei der hier gebotenen Schätzung kann der Tatrichter auf die Marktpreiserhebungen nach der ʺSchwacke-Listeʺ oder nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel zurückgreifen. Beide Marktpreiserhebungen sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, die dieser insoweit als nicht weiter klärungsbedürftig anieht, grundsätzlich geeignete Schätzungsgrundlagen.
Bei der obergerichtlich umstrittenen Frage, auf welche Marktpreiserhebung abzustellen ist, bevorzugt das OLG die Mittelwertlösung ʺFrackeʺ. Die unterschiedlichen Erhebungsmethoden beider Auswertungen, die Erhebung des Fraunhofer Instituts beruht im Wesentlichen auf einer anonymen Internetabfrage, die Schwacke-Erhebung auf einer nicht anonymisierten, aber örtlich genaueren Anbieterabfrage, haben Vor- und Nachteile, die es als sachgerecht erscheinen lassen, keine der Listen isoliert heranzuziehen, sondern auf ihren Mittelwert abzustellen.
Vorliegend ist nach der ʺSchwacke-Listeʺ ein Tarif von rd. 1.100 € und nach dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel ein Wert von rd. 500 € zu ermitteln. Der Mittelwert hieraus (rd. 800 €) weicht nur unerheblich von den angefallenen Mietwagenkosten (828 €) ab, so dass diese als ersatzfähig anzusehen sind. Ausgehend von der 70-prozentigen Haftungsquote kann der Kläger daher insgesamt rd. 7.900 € Schadensersatz beanspruchen.
Quelle: OLG Hamm PM vom 15.4.2016
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