BGH zum Abschleppen nach Überschreitung der Parkzeit

BGH zum Abschleppen nach Überschreitung der Parkzeit

Höchstparkzeit überschritten: Umsetzen des Fahrzeuges entspricht dem objektiven Interesse des Pkw-Halters
BGH 11.3.2016, V ZR 102/15
Wird ein Fahrzeug, das unbefugt auf einem Privatgrundstück in verbotener Eigenmacht abgestellt wird, im Auftrag des Grundstücksbesitzers im Wege der berechtigten Selbsthilfe entfernt, entspricht dies dem objektiven Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Fahrzeughalters. Er ist nach den Grundsätzen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ersatz der für die am Ort der Besitzstörung üblichen Kosten des Abschleppens verpflichtet.
Der Sachverhalt:
Der Pkw der Beklagten war im Juni 2010 von einem Dritten auf dem Kundenparkplatz eines Marktes in Berlin in der Zeit zwischen acht und zehn Uhr abgestellt worden. Da die durch entsprechende Schilder kenntlich gemachte Höchstparkzeit von 90 Minuten überschritten war, veranlasste ein Mitarbeiter der Klägerin die Umsetzung des Fahrzeuges.
Die Klägerin war gegenüber der Betreiberin des Verbrauchermarktes vertraglich verpflichtet, unberechtigt parkende Fahrzeuge zu entfernen. Die hierfür vereinbarte Vergütung betrug 219,50 €. Die Ansprüche gegenüber dem unberechtigten Nutzer der Fläche bzw. gegen den Pkw-Halter auf Ersatz der Kosten wurden an sie abgetreten.
Im Oktober 2012 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 219,50 € auf und mahnte sie im Juni 2013 an. Als keine Reaktion erfolgte, verlangte die Klägerin gerichtlich von der Beklagten Zahlung des Betrages zzgl. Zinsen, Kosten für eine Halteranfrage sowie Mahnkosten. Das AG sprach der Klägerin lediglich 130 € (110 € ortsübliche Abschleppkosten zzgl. 20 € Vorbereitungskosten) plus Zinsen zu und verurteilte die Beklagte darüber hinaus zur Zahlung der Anfrage- und Mahnkosten. Das LG wies die Klage ganz ab.
Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als die Klage i.H.v. 130 € nebst Zinsen und Mahnkosten abgewiesen wurde.
Die Gründe:
Das LG hatte rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag verneint. Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht gem. § 398 BGB der Betreiberin des Verbrauchermarktes gegen die Beklagte in der Hauptsache gem. § 683 S. 1 BGB i.V.m. § 670 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Abschleppkosten einschließlich der Vorbereitungskosten i.H.v. 130 €.
Die Übernahme des Geschäftes liegt dann im Interesse des Geschäftsherrn, wenn sie ihm objektiv vorteilhaft und nützlich ist. Nach BGH- Rechtsprechung gilt die Tilgung einer einredefreien Schuld grundsätzlich als vorteilhaft und damit als interessegemäß. Entsprechendes gilt, wenn ein Grundstückseigentümer – wie hier – eine Eigentumsbeeinträchtigung selbst beseitigt. Der Störer wird schließlich von der ihm gem. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB obliegenden Pflicht frei, so dass die Übernahme des Geschäfts auch in seinem objektiven Interesse liegt und er – wenn die weiteren Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen – verpflichtet ist, dem Eigentümer gem. § 683 BGB die zu der Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen zu erstatten.
Andere, für die Beklagte kostengünstigere und vorteilhaftere Möglichkeiten, diesen Anspruch zu erfüllen, bestanden nicht. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Grundstücksbesitzerin von der Beklagten die sofortige Beseitigung der Störung verlangen und den Anspruch auch im Wege der Selbsthilfe durchsetzen konnte. Zu einer sofortigen Beseitigung waren jedoch weder die Beklagte noch der Fahrer des Fahrzeuges in der Lage, da sie sich in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Geschäftsübernahme weder bei dem Fahrzeug befanden noch binnen kurzer Zeit ermittelt werden konnten. Die einzige Möglichkeit, den rechtswidrigen Zustand unmittelbar zu beseitigen, bestand deshalb in dem Umsetzen des Fahrzeuges.
Mangelt es an Anhaltspunkte, ist als mutmaßlicher Wille der Wille anzusehen, der dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht. Da die Entfernung des Fahrzeuges im objektiven Interesse der Beklagten lag, war auch ihr mutmaßlicher Willen hierauf gerichtet. Sie wurde durch die Geschäftsführung von ihrer Verpflichtung zur sofortigen Störungsbeseitigung befreit, die nur durch ein Umsetzen des Fahrzeuges bewirkt werden konnte. Das Berufungsurteil konnte deshalb im Hinblick auf die Abweisung der auf Zahlung von 130 € gerichteten Klage keinen Bestand haben. Hat ein Grundstücksbesitzer – wie hier – ein Unternehmen mit der Beseitigung der Besitzstörung gegen Zahlung einer vertraglich festgelegten Pauschalvergütung beauftragt, stellt das Eingehen einer solchen Verbindlichkeit jedoch nur insoweit eine ersatzfähige Aufwendung dar, als die am Ort der Besitzstörung üblichen Kosten für das Abschleppen fremder Fahrzeuge und die Kosten für vorbereitende Maßnahmen nicht überschritten werden.

Verlag Dr. Otto Schmidt