BGH 29.6.2016, VIII ZR 191/15
Ein zwei Jahre und vier Monate nach seiner Erstzulassung verkaufter Gebrauchtwagen ist nicht grundsätzlich mangelhaft, wenn das Fahrzeug zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweist. Wenn das erworbene Gebrauchtfahrzeug zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits längere Zeit zum Straßenverkehr zugelassen war und durch eine relativ hohe Laufleistung eine nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs eingetreten ist, verlieren eine vor der Erstzulassung eingetretene Standzeit und der hierauf entfallende Alterungsprozess zunehmend an Bedeutung.
Der Sachverhalt:
Der Kläger kaufte im Juni 2012 von der beklagten Kfz-Händlerin einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 €. Im Kaufvertragsformular war unter der Rubrik „Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief“ der 18.2.2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt.
Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 1.7.2008 hergestellt worden war. Nach Ansicht des Klägers begründet die sich hieraus ergebende Dauer der Standzeit vor Erstzulassung (19 1/2 Monate) schon für sich genommen einen Sachmangel des Kfz. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises.
Das LG gab der Zahlungsklage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Eine Standzeit von über zwölf Monaten vor der Erstzulassung begründet bei einem Gebrauchtwagenkauf nicht ohne weiteres einen Sachmangel.
Die Parteien haben vorliegend keine Beschaffenheitsvereinbarung über ein bestimmtes Herstellungsdatum oder Baujahr getroffen (§ 433 Abs. 1 S. 2, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB) – weder ausdrücklich noch stillschweigend. Der bloßen Angabe des Datums der Erstzulassung im Kaufvertrag kann eine solche (stillschweigende) Beschaffenheitsvereinbarung schon deshalb nicht entnommen werden, weil die Beklagte durch den einschränkenden Zusatz „lt. Fzg.-Brief“ keine verbindliche Willenserklärung abgegeben, sondern lediglich mitgeteilt hat, aus welcher Quelle sie die entsprechenden Angaben entnommen hat (Wissensmitteilung). Die Beklagte hat damit deutlich gemacht, dass sie weder für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums noch – darüber hinausgehend – für ein bestimmtes Baujahr des Fahrzeugs einstehen will.
Die Standzeit von 19 1/2 Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung führt auch nicht dazu, dass sich der erworbene Gebrauchtwagen zum Zeitpunkt der Übergabe nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und nicht die übliche, vom Käufer berechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Zwar hat der Senat für den Kauf von Neu- oder Jahreswagen bereits entschieden, dass ein Autokäufer in diesen Fällen eine zwölf Monate nicht überschreitende Standzeit vor der Erstzulassung erwarten darf. Denn dem durch die Standzeit voranschreitenden Alterungsprozess kommt bei neuen Fahrzeugen oder zumindest „jungen Gebrauchtwagen“ besonderes wirtschaftliches Gewicht zu.
Vergleichbare allgemein gültige Aussagen lassen sich bei sonstigen Gebrauchtwagen jedoch nicht treffen. Welche Standzeiten bei solchen Fahrzeugen üblich sind und ein Käufer – ohne zusätzliche Verkäuferangaben – erwarten darf, hängt vielmehr von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wie etwa der Dauer der Zulassung zum Verkehr und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung. Wenn das erworbene Gebrauchtfahrzeug – wie hier – zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits längere Zeit zum Straßenverkehr zugelassen war und durch eine relativ hohe Laufleistung eine nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs eingetreten ist, verlieren eine vor der Erstzulassung eingetretene Standzeit und der hierauf entfallende Alterungsprozess zunehmend an Bedeutung. Dass konkrete standzeitbedingte Mängel aufgetreten sind, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Der Kaufvertrag ist daher nicht rückabzuwickeln.
Quelle: BGH PM Nr. 109 vom 29.6.2016
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