OLG Hamm Fachwerkstatt muss Rückrufaktion kennen

OLG Hamm Fachwerkstatt muss Rückrufaktion kennen

OLG Hamm 8.2.2017, 12 U 101/16
Fachwerkstatt muss Rückrufaktion kennen
Bezeichnet sich eine Werkstatt als Fachwerkstatt für Fahrzeuge einer bestimmten Marke, trifft sie die Pflicht sich zu informieren, ob ein Fahrzeug, das ihr für Inspektionsarbeiten übergeben wird, von einer Rückrufaktion wegen sicherheitsrelevanter Mängel betroffen ist. Das gilt auch dann, wenn sie nur mit Wartungsarbeiten im Umfang einer „kleinen Inspektion“ beauftragt ist und wenn es sich bei dem Fahrzeug um einen sog. „Grauimport“ handelt.
Der Sachverhalt:
Das klagende Unternehmen ist Eigentümer eines im Oktober 2010 erworbenen Dodge Ram Truck 1500. Für das in den USA hergestellte und im Wege eines sog. „Grauimports“ eingeführte Fahrzeug existieren in Deutschland kein autorisiertes Händlernetz und keine Niederlassungen der Herstellerin. Die Beklagte betreibt eine Kfz-Fachwerkstatt und wirbt für sich als autorisierte Service-Fachwerkstatt für Kfz der Marke Dodge.
Die Klägerin ließ Reparatur- und Wartungsarbeiten an ihrem Fahrzeug bei der Beklagten vornehmen. Ab Februar 2013 fand eine Rückrufaktion des Herstellers Chrysler Dodge statt, die auch die Baureihe des klägerischen Fahrzeugs betraf. Instand zusetzen war eine nicht ausreichend gesicherte Mutter im Getrieberad der Hinterachse. Die Klägerin selbst erhielt hierüber keine Mitteilung des Herstellers. Bei im Oktober 2013 von der Beklagten am Fahrzeug der Klägerin durchgeführten Inspektionsarbeiten setzte die Beklagte die von der Herstellerin mit der Rückrufaktion angewiesenen Instandsetzungsarbeiten nicht um.
Im April 2014 erlitt das Fahrzeug der Klägerin erhebliche Beschädigungen, weil die Hinterachse während der Fahrt blockierte. Der Schaden wäre bei der Durchführung der empfohlenen Instandsetzungsarbeiten nicht entstanden. Den erlittenen Fahrzeugschaden i.H.v. rd. 6.800 € verlangte die Klägerin von der Beklagten ersetzt. Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe sich über die Rückrufaktion der Herstellerin informieren und sie, die Klägerin, über diese unterrichten müssen. Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, die Klägerin habe sich selbst informieren müssen, als Kfz-Werkstatt träfen sie insoweit keine Überprüfungspflichten.
Das LG gab der auf Zahlung von Schadensersatz gerichteten Klage statt. Die Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 634 Nr. 4, § 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu. Aufgrund des unterlassenen Hinweises auf die Rückrufaktion und die gebotenen Reparaturen ist der Klägerin der geltend gemachte Schaden entstanden – diesen hat die Beklagte zu ersetzen.
Die Beklagte war mit der Inspektion des klägerischen Fahrzeugs beauftragt. Sie musste es deswegen für die nächste Zeit gebrauchs- und fahrbereit machen. Aufgrund dieses Auftrages hätte sich die Klägerin über die Rückrufaktion und insoweit gebotenen Reparaturen informieren müssen. Als Fachwerkstatt muss sie sich unter Ausnutzen zumutbarer Informationsquellen, wie etwa der Internetseite des Herstellers, über verkehrssicherheitsrelevante Rückrufaktionen informieren. Die Klägerin als Kundin durfte in berechtigter Weise annehmen, dass die Beklagte über alle notwendigen Kenntnisse für die Verkehrs- und Betriebssicherheit der Dodge-Fahrzeuge verfügt, oder sich diese jedenfalls vor dem Durchführen von Inspektionsarbeiten verschafft.
Dass das Fahrzeug der Klägerin ein sog. „Grauimport“ war – was der Beklagten im Übrigen bekannt war-, ändert nichts an den Informationspflichten der Beklagten. Sie bewirbt ihr Unternehmen als autorisierte Service-Fachwerkstatt für Fahrzeuge der Marke Dodge, ohne dies auf in Deutschland vertriebene oder offiziell importierte Fahrzeuge zu beschränken. „Grau“ importierte Fahrzeuge benötigen auch keine weniger effektive Fehlerkontrolle als reguläre Fahrzeuge, bei „Grauimporten“ informiert der Hersteller den Halter zudem nicht über Rückrufaktionen. Auch deswegen musste sich im vorliegenden Fall die Beklagte als Fachwerkstatt informieren.
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Verlag Dr. Otto Schmidt
Quelle: OLG Hamm PM vom 21.4.2017